Politik als Theater ist ein altes Bild. Und doch erscheint es aktueller denn je. Spitzenpolitiker wie Obama oder Trudeau werden als Popstars oder Sexsymbole gefeiert. Doch auch unter den österreichischen Politikern gibt es wahre Könige der Selbstinszenierung. Während Strache, Stronach und Co. gleich die Hüllen fallen lassen, müssen andere dafür nicht einmal den ersten Knopf ihres Slim-Fit Anzugs öffnen.
Vor Kurzem betitelte “Die Zeit” einen Bericht über Donald Trump mit „Kasperletheater im Weißen Haus“. Theater als Metapher für eine schauspielende Politik gibt es jedoch nicht erst seit Trump ins Weiße Haus einzog. Auch, wenn die Selbstinszenierung von Politikern gerade sehr en vogue erscheint. Eine der ersten und wohl berühmtesten politischen Inszenierungen dürfte allen bekannt sein. Und das, obwohl sie schon fast 2000 Jahre alt ist. Nämlich als der römische Statthalter Pontius Pilatus Jesus zur Kreuzigung freigab und mit einem symbolischen Akt seine Unschuld bekundete, indem er seine Hände vor versammelter Menge rein wusch.
Geschichtsschreiber als erste PR-Strategen
In der Vergangenheit wurden nicht nur einzelne Handlungen inszeniert, sondern auch ganze Persönlichkeiten. Welches Bild wir über historische Personen wie Alexander den Großen, Kleopatra oder Cäsar haben, entstammt oft einer wohlkalkulierten Selbstdarstellung. Geschichtsschreiber, heutzutage wohl PR-Strategen, entwarfen in den Medien der damaligen Zeit ein möglichst glänzendes Bild ihres Geldgebers und kreierten so ein bis heute unvergessliches Image. Statt über Facebook eben auf Papyrus, in Büsten oder Inschriften.
Lasst die Spiele beginnen
Seit Cäsar hat sich dann aber doch einiges getan. Erst mit dem Aufkommen der Demokratie haben die Spiele richtig begonnen. Denn während sich Cäsar einfach die lebenslange Diktatur übertragen ließ und seine Taten nicht mehr vor dem Volk rechtfertigen musste, sind Politiker heutzutage sehr wohl auf die Öffentlichkeit angewiesen. Es reicht nicht mehr einfach nur politische Entscheidungen zu treffen. Diese müssen dem Volk auch vermittelt und vor allem begründet werden. Ein gutes Image zu haben ist dabei existentiell für Politiker. Nur, wer ein Massenpublikum von sich überzeugen kann, hat bei der nächsten Wahl eine Chance. Verstärkt wird der Trend zur Inszenierung dadurch, dass der potenzielle Erfolg einer Partei oft an ihrem Spitzenkandidaten gemessen wird.
Politikshows und Politainment
Die Arena politischer Öffentlichkeit stellen heutzutage die Massenmedien dar. Bereits in den Siebziger Jahren kritisierte der Politikwissenschaftler Schwartzenberg, dass der Staat unter dem Einfluss des Fernsehens zu einer mittelmäßigen Show verkommen sei. „Jeder leitende Politiker scheint eine Rolle zu besetzen und einen Part zu spielen, genau wie auf der Bühne“. Dieses Zusammenspiel von Staatstheater als Unterhaltungskultur wird unter dem Begriff „Politainment“ (Politik + Entertainment) zusammengefasst. Politainment fällt in einer „Gesellschaft des Spektakels“ auf dementsprechend fruchtbaren Boden. Die Gesellschaft wird unterhalten und der Politiker erfährt die Aufmerksamkeit, die er so dringend benötigt.
Spitzenpolitiker als neue Popstars und Sexsymbole
Ein Virtuose der Selbstinszenierung war definitiv Obama. Kein Anderer beherrschte die Gesetze der viralen Pop-Inszenierung so wie er. Vom ersten Wahlkampftag an, wurden seine Bilder zu Ikonen. Er und sein Team haben das Internet als neue Kommunikationsform entdeckt und wussten es gezielt für sich einzusetzen. Auf Facebook wurden seine Fotos und Videos millionenfach geteilt, bei seinen öffentlichen Auftritten wurde er gefeiert wie ein Popstar. Wenn er sich im Kreise seiner Ehefrau und Töchter als Familienmensch präsentierte, beeinflusste das maßgeblich sein Bild in der Öffentlichkeit.
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Das Social-Media-Team von Justin Trudeau ist darauf bedacht, den kanadischen Premierminister in heterogenen Personengruppen zu zeigen. Schließlich soll er das „liberale Amerika“ verkörpern, das offen für Migranten und tolerant gegenüber Minderheiten ist. Trudeau verkörpert jedoch noch viel mehr als das. Der britische Daily Mirror kürte ihn zum „sexiesten Politiker der Welt“.
Ähnlich freizügig wie Trudeau zeigt sich auch der russische Präsident Wladimir Putin. Dieser lässt sich häufig mit freiem Oberkörper abbilden und demonstriert damit Autorität, Macht und Stärke. Werte, die sich in seiner politischen Botschaft wiederfinden – Russland als Weltmacht.
Österreichischer Feschismus
Was Putin und Trudeau können, können österreichische Politiker schon lange. Jörg Haider galt als Ur-Playmate der heimischen Politik und personifizierte den von Armin Thurnher geprägten Begriff des „Feschismus“. In einem Interview erklärte Thurnher seine Wortneuschöpfung folgendermaßen: „Haider kokettierte fortwährend mit Anspielungen auf den Nationalsozialismus. Zugleich gab er sich das Image eines Popstars. Dieser Popstarkult war extrem mode- und körperbetont, nackter Oberkörper, Sonnebräune… Fesch und Faschismus ergaben dann den Feschismus“. In Haiders „Playmate-Fußstapfen“ traten Politiker wie Karl-Heinz Grasser, Strache oder Stronach. Alle ließen sich mit entblößter Brust portraitieren. Stronach, um zu zeigen, dass er trotz fortgeschrittenen Alters fit für ein Amt ist. Strache, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und Präsenz zu zeigen.
Kern und Kurz als Könige der Selbstinszenierung
Die wahren Könige der Selbstinszenierung und derzeitigen Stars am österreichischen Politik-Firmament sind aber eindeutig Kern und Kurz. Ohne, dass sie dafür auch nur einen Knopf ihrer perfekt sitzenden Slim-Fit-Anzüge öffnen müssten. Als der Außenminister beispielsweise beim Jägerball Ende Jänner begrüßt wurde, bekam er nicht nur Applaus, sondern vielmehr fegte ihm ein regelrechter Begeisterungssturm entgegen. Und wer ein Selfie mit dem Bundeskanzler machen möchte, muss sich nach wie vor hinten anstellen.
»95 Prozent der Politik besteht aus Inszenierung«
Im Interview mit dem Ö1-Journal meinte der Kanzler kürzlich, dass 95 Prozent der Politik aus Inszenierung besteht. Wie diese auszusehen hat, zeigte er bei der Präsentation seines „Plan A“ in einer Art Box-Arena. Und stellte damit unter Beweis, dass er nicht nur um die Kunst der Inszenierung weiß, sondern auch versteht, diese gekonnt einzusetzen. Nicht nur, wenn es um die Vermittlung politischer Botschaften geht, sondern auch bei der Kreation seines eigenen Images. So kümmert sich ein Team persönlicher Fotografen darum, dass Kern auch in den sozialen Netzwerken ins richtige Licht gerückt wird. Denn auch hier lassen sich mit starker Bildsprache und klaren Botschaften Wählerstimmen fangen.
Die Macht des Bildes nutzt Sebastian Kurz genauso. Auf Instagram dokumentiert er fotografisch sein Leben als Politiker und gibt sich dabei gleichzeitig staatsmännisch und volksnah. Auf Facebook gelang es ihm im Laufe der Jahre eine große Gefolgschaft von fast 500.000 Fans aufzubauen. So kann er sein Bild in der Öffentlichkeit nach strategischen Überlegungen bewusst beeinflussen. Die visuelle Selbstdarstellung ist nicht zu unterschätzen, denn gerade bei Wahlen von Führungspersönlichkeiten agieren Menschen oft unbewusst und irrational. Dennoch – schöne Bilder und eine gute Show alleine reichen nicht. Sie müssen mit der Person dahinter übereinstimmen und dürfen nicht zum Ersatz für politische Handlungen werden. Daher: Ein bisschen weniger Theater, ein bisschen mehr Inhalt.