Das liebe Gewicht, es beschäftigt uns eigentlich ständig. Aber oftmals gar nicht deshalb, weil wir einem bestimmten oder sogar absurden Idealbild nacheifern – sondern weil damit ein bestimmtes Körpergefühl zusammenhängt. Eines, das uns Lebensqualität und einen guten Draht zu uns selbst gibt. Steigt die Anzeige auf der Waage über eine bestimmte Zahl hinaus, kippt dieses Körpergefühl, wir fühlen uns nicht mehr wohl in unserer Haut. Wann das so weit ist, ist für jeden unterschiedlich.
Das Gewicht zu reduzieren, ist hingegen für alle eine Herausforderung, mehr oder weniger. Doch mit dem richtigen Mix aus Ernährung und Sport und etwas Durchhaltevermögen gelingt es fast immer. Fünf Frauen, die das bestätigen können, erzählten uns ihre Geschichten. Warum ihr Gewicht hinaufgeschnellt war, was ihnen den nötigen Kick zur Veränderung gab und wie sie es geschafft haben, leichter zu werden. Die Belohnung bei allen: ein neues Lebensgefühl. Dazu erklären zwei Ernährungswissenschafterinnen, wie ein gutes Abnehmprogramm aussieht.
SO WIRKEN MEDIKAMENTE
Die Gründe, warum man zunimmt, können ganz unterschiedlich sein. Klar, zu viel zu essen, ist ein wesentlicher. Dahinter liegen aber oft noch andere Ursachen: ein hormonell veränderter Stoffwechsel etwa durch eine Schwangerschaft oder den Wechsel, eine Krankheit, die Einnahme von Medikamenten, Zusatzstoffe in der Nahrung oder auch Probleme mit der Darmflora.
Sabine Herda etwa kennt gleich zwei dieser Probleme. Als junges Mädchen litt die Kärntnerin an Depressionen, durch die verordneten Medikamente nahm sie zu. “Das ist eine häufige Nebenwirkung”, weiß Ernährungswissenschafterin Monika Masik. “Cortison, Antibiotika, Antidepressiva, Betablocker oder die Pille können eine Gewichtszunahme begünstigen. Sie werden aber oft nicht als Ursache erkannt, weil das Mehrgewicht erst Wochen oder Monate später auftritt.”
Herda setzte, als sie wieder gesund war, auf Clean Eating, eine Ernährungsform, die verarbeitete Lebensmittel und Zusatzstoffe weglässt. Nach einem längeren Aufenthalt in Chile hat sie das noch vertieft. Dort sind beinahe alle Lebensmittel mit Zusätzen angereichert. “Wieder daheim in Österreich, hatte ich das Bedürfnis, all diese Rückstände aus meinem Körper herauszubekommen.”
GRUMMELN IM BAUCH
Ein Problem mit Zusatzstoffen hatte auch Silvia Waldhauser. Falsche Ernährung, Zusatzstoffe und Hormone durch die Pille störten ihre Darmflora. Trotz normaler Essensmengen nahm sie ständig zu. Schließlich entwickelte sie noch ein Reizdarmsyndrom. Das beeinträchtigte ihre Lebensqualität massiv, vor allem, da es nach wie vor ein großes Tabuthema ist. Wichtig in solchen Fällen, wie Masik betont: “Die Nährstoffaufnahme ist durch den Reizdarm gestört. Lassen Sie deshalb einen Blutbefund machen. So können Mängel, erhöhte Werte oder auch Unverträglichkeiten festgestellt und berücksichtigt werden bei der Umstellung.”
VOM RICHTIGEN ZEITPUNKT
Bianca Gruber war schon als Kind ein Moppelchen. Stress und Frust ließen die Steirerin zu Süßem und Junkfood greifen. Erst als ihr bewusst wurde, dass sie als Mutter dreier Kinder ihre Gesundheit nicht riskieren darf, schaffte sie ein neues Essverhalten. Isst man aus Stress, empfiehlt Masik ein Ernährungsprotokoll: “Das hilft, die Situationen zu erkennen, in denen man zu emotionalem Essen neigt. Der nächste Schritt ist, die beruhigenden Lebensmittel durch gesündere Alternativen zu ersetzen. Nüsse und Trockenfrüchte etwa sind das perfekte Stressfood.”
So ein Protokoll gibt außerdem Überblick darüber, wann wir essen und wie viel es tatsächlich ist. Denn viele denken, sie ernähren sich ohnehin gesund. “Doch stimmt die Energiebalance auch?”, gibt Ernährungswissenschafterin Ursula Umfahrer zu bedenken. “Ein Smoothie ist zwar gesund, aber enthält auch viel Fruchtzucker. Er zählt wie eine kleine Mahlzeit. Das muss man beim Gesamtumsatz bedenken.”
WENN MAN KRANK IST
Karin Saria-Girrer hatte krankheitshalber zugelegt. Eine Brustkrebsdiagnose mit anschließender Chemotherapie sorgte für zwölf Kilo mehr. Auf diesem Gewicht blieb sie eine Weile sitzen. Kein Wunder, meint Masik: “Wenn man krank ist, ist der Körper mit sich beschäftigt, er konzentriert sich auf Heilung.” Nach Therapieende erschwerte der vorzeitige Wechsel das Abnehmen. Doch mit Low-Carb-Ernährung ist Saria-Girrer jetzt wieder zufrieden.
DIE LIEBEN HORMONE
Der Wechsel hat auch Tanja Lipp zu schaffen gemacht. Der Metabolismus verlangsamte sich, auf einmal schnalzte das Gewicht massiv nach oben. Mit einer Ernährungsumstellung speckt sie jetzt langsam, dafür kontinuierlich ab. Aus der Not hat sie außerdem eine Tugend gemacht und gemeinsam mit Ernährungsexpertin Umfahrer einen Blog entwickelt. Auf hitzewellenkompott.at gibt’s lustige Geschichten, Erfahrungsberichte, Rezepte und jede Menge Infos rund um das Thema.
GESUND ABNEHMEN
Doch wie sieht eine gesunde, schlanke Ernährung nun aus? Die ist recht unspektakulär, wenn man den Dreh einmal heraußen hat: Frisch kochen, immer einen guten Mix aus Kohlenhydraten, Eiweiß und hochwertigem Fett zaubern, viel Gemüse zum Sattessen bereitstellen und darauf achten, dass die Energiebalance aus Aufnahme und Verbrauch passt.
Monika Masik empfiehlt, im Rhythmus zu essen: “Drei Mahlzeiten regelmäßig über den Tag verteilt sind ideal für eine gute Fettverbrennung, Snacks dazwischen sind tabu. Achte bei jedem Essen auf Eiweiß. Das dämpft den Hunger und kurbelt die Stoffwechsel- und Enzymprozesse an. Und wenn du auf Süßes nicht verzichten kannst, iss es direkt nach der Mahlzeit, am besten ein Handvoll Obst oder Trockenfrüchte.”
Für Umfahrer ist die oberste Regel: “Das Ernährungskonzept muss zu den Lebensumständen passen, einfach durchführbar und leistbar sein.” Und sie betont weiter: “Gehe schrittweise vor. Eine Ernährungsumstellung ist ein Prozess, das funktioniert nicht von heute auf morgen.” Natürlich ist auch Bewegung essenziell. Sie macht gut 30 Prozent des Erfolgs aus. Denn mehr Muskelmasse erhöht den Grundumsatz, durch regelmäßige Bewegung entsteht ein neues Körpergefühl, das das Abnehmen zusätzlich erleichtert. Und sind mal die ersten Erfolge da, geht’s schon fast wie von selbst.
SABINE HERDA, 33: PSYCHOPHARMAKA & FERTIG FOOD ALS GEWICHTSBOMBEN.
LIFESTYLE. Sabine Herda hat 1,5 Jahre in Chile gelebt. Lebensmittel ohne Zusatzstoffe sind dort Mangelware. Das Frauenbild ist aber auch anders, ein paar Kilo mehr sind okay.
HÖCHSTGEWICHT: 75 KILO
AKTUELLES GEWICHT: 64 KILO
GRÖSSE: 178 CM
Meine Geschichte: Genau genommen habe ich zwei Mal zugenommen. Ich hatte in meiner Jugend Depressionen. Als man das mit 20 entdeckte, bekam ich Psychopharmaka verschrieben und hab mit Psychotherapie begonnen. Davor hatte ich 56 Kilo, durch die Medikamente wurden es etwa acht mehr. Mit 23 war ich gesund und habe auch die Medikamente abgesetzt. Da habe ich mit Clean Eating angefangen, ohne Zusatzstoffe, alles selbst gekocht. Denn mir war inzwischen bewusst, wie stark uns Ernährung beeinflusst. Die falsche ist ja sogar eine Grundlage für Angsterkrankungen, wie man heute weiß. 2013 bin ich dann für 1,5 Jahre nach Chile gegangen. Dort ernährt man sich ähnlich wie in den USA -nur Weißmehlprodukte, sogar Mehl & Milch sind Vitamine zugesetzt, Obst und Gemüse oft gentechnisch verändert, Bio gibt es gar nicht. Das hat mich dort nicht gestört, aber zurück in Österreich, mit 75 Kilo, ist mir die Qualität unserer Nahrungsmittel noch einmal so richtig bewusst geworden. Ernährung. Ich koche alles selbst. So oft es geht, mache ich 14 Stunden Essenspause. Gleich in der Früh gibt es ein Glas warmes Wasser mit Apfelessig, etwas später selbstgemachtes Müsli mit Kefir. Zu Mittag dann viel Gemüse und Obst, Salat oder auch Linsen. Abends esse ich sehr oft Eier, wegen des Eiweißes, mit Butterbrot, Käse und Gemüse. Fleisch und Süßes esse ich auch, aber nur selten. Bewegung. Sport gibt es fast täglich: Yoga, Laufen im Freien und HIIT-Krafttraining. Mit dieser Dreierkombi stimmt für mich das Gleichgewicht zwischen Körper und Seele.
KARIN SARIA-GIRRER, 44: ZWÖLF KILO MEHR IN DREI MONATEN DURCH CHEMOTHERAPIE.
MEDIKAMENTE. Durch Chemo und Cortison hat Karin Saria-Girrer, hier mit ihrem Mann, einiges zugelegt. Jetzt ist sie wieder fit.
HÖCHSTGEWICHT: 82 KILO
AKTUELLES GEWICHT: 72 KILO
GRÖSSE: 175 CM
Meine Geschichte: Ich war immer normalgewichtig und musste nie aufpassen. Vor 1,5 Jahren bekam ich dann die Diagnose Brustkrebs. Auf die Chemotherapie habe ich mit massiver Gewichtszunahme reagiert, Cortison hat ein Übriges getan. In drei Monaten habe ich zwölf Kilo zugenommen. Ich war damit furchtbar unglücklich, aber die Ärzte meinten nur, ich solle doch froh sein, dass die Therapie gut wirkt. Zum Schluss konnte ich mir nicht einmal mehr die Schuhbänder selbst zubinden, es hat sich angefühlt, als wäre ich hochschwanger. Auch nach der Therapie hat sich beim Gewicht nichts geändert, verstärkt dadurch, dass ich in den künstlichen Wechsel gekommen bin. Ernährung. Im Juni 2017 habe ich mit Low-Carb-Ernährung angefangen. Das Frühstück fällt bei mir aus, da bin ich nicht hungrig. Zu Mittag gibt es Huhn oder mageres Fleisch mit viel Salat oder Gemüse. Und am Abend esse ich Eierspeise oder Nussbrei. Als Zwischenmahlzeit gibt es ein paar Beeren, Mandeln oder griechisches Joghurt. Bewegung. Ich gehe ganz viel raus. Walken, wandern, mit den Schneeschuhen. Schwimmen liebe ich auch, und ich mache fast alle täglichen Wege zu Fuß. Nur wenn es ganz grauslich ist draußen, dann stelle ich mich aufs Laufband. Jetzt passt mein Körpergefühl Gott sei Dank wieder.
TANJA LIPP, 47: MIT DEM WECHSEL SCHNELLTE DAS GEWICHT IN DIE HÖHE
UMSTELLUNG. Der Stoffwechsel von Tanja Lipp ist träger geworden. Mit der neuen Ernährung nimmt sie langsam, aber kontinuierlich ab.
HÖCHSTGEWICHT: 99 KILO
AKTUELLES GEWICHT: 92 KILO
GRÖSSE: 180 CM
Meine Geschichte: Ich habe in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich etwas zugenommen, das war voll okay, ich genieße einfach gerne. Chips sind meine große Leidenschaft. Und in meinem Kopf war ich immer dünn. Aber vor 2,5 Jahren hat bei mir der Wechsel angefangen, da wurden es dann ziemlich rapid zehn Kilo mehr und ich habe mich nicht mehr wohlgefühlt. Der Knackpunkt war, als ich mein Bühnenoutfit nicht mehr zubekommen habe. Ich bin Sängerin und trage meistens ein Kleid von Lena Hoschek. Irgendwann war es fast zehn Zentimeter zu eng. Ernährung. Ich mag keine Diäten, Essen muss in den Alltag passen. Morgens gibt es Porridge, zu Mittag Suppen, Nudeln, Risotto mit Salat, abends Gemüse aus dem Rohr – alles selbstgekocht. Da muss man halt ein bisschen planen. Am wöchentlichen Fasttag esse ich nur Erdäpfel oder Reis. Dafür ist am Wochenende alles erlaubt, worauf ich Gusto habe. Aber durch die gesunde Ernährung sind die deftigen Gelüste weniger geworden. Bewegung. Ich mache wieder mehr von dem, was ich früher getan habe. Ich gehe die 25 Minuten ins Büro zu Fuß, mache Workouts mit einem Online-Programm und schwimme wieder regelmäßig. Das Kleid ist mein Antrieb, drum bekomme ich meinen Hintern hoch, auch wenn er noch so schwer ist. ;-) Und ich spüre mich wieder besser, seit ich mich um meinen Körper kümmere. Der ist ja nichts Externes, sondern gehört zu mir. Und fünf Kilo müssen noch weg.
SILVIA WALDHAUSER, 50: PILLE, JO-JO-EFFEKT UND REIZDARM SUMMIERTEN SICH.
UNGESUND. Zu viele Fertigprodukte haben die Verdauung von Silvia Waldhauser aus dem Takt gebracht. Jetzt kocht sie nur noch selbst.
HÖCHSTGEWICHT: 101 KILO
AKTUELLES GEWICHT: 76 KILO
GRÖSSE: 167 CM
Meine Geschichte: Zuerst haben Pille und 3-Monats-Spritze meinen Stoffwechsel durcheinandergebracht. Jahrelang habe ich Kalorien gezählt. Zwischen 1800 und 2000 gegessen, also ganz normal, und trotzdem wurde ich immer mehr. Diäten haben zwar geholfen, aber der Jo-Jo-Effekt war auch da. 2010 kam ein Reizdarmsyndrom dazu, es ging mit den Kilos nur noch bergauf. Egal, was ich gegessen habe, ich habe fast immer Durchfall bekommen, bin schon nach zehn Minuten auf die Toilette gelaufen. Ich konnte gar nicht mehr in Restaurants gehen. TCM, Darmsanierung, keine Laktose, nichts hat nachhaltig geholfen. Ernährung. Schließlich bin ich zu einer Ernährungsberaterin gegangen. Ich dachte immer, ich ernähre mich halbwegs gesund, aber es waren einfach zu viel Zucker und Fertignahrungsmittel auf dem Speiseplan. Ich habe Zucker und Kohlenhydrate reduziert, bin von Weizen auf Roggen- und Dinkelmehl umgestiegen. Zwischen den Mahlzeiten liegen 4-5 Stunden Pause. In der Früh und zu Mittag gibt es Brot, Schinken oder Prosciutto, Paradeiser, eine halbe Avocado. Am Abend esse ich Hühnerfleisch, Schweinslungenbraten oder Fisch mit Quinoa, Gemüse, Pilzen, Dinkelnudeln und Salat. Meine Leberwerte sind jetzt viel besser, der Reizdarm ist komplett verschwunden, selbst in den Weihnachtsfeiertagen war es kein Problem. Das hat mir so viel Lebensqualität zurückgegeben. Bewegung. Ich bin ehrlich gesagt ein Bewegungsmuffel. Aber ich gehe mit meinen zwei Hunden spazieren und einmal pro Woche in die Tanzschule.
BIANCA GRUBER, 29: FRUST-, STRESSESSEN UND STILLZEIT SETZTEN TOTAL AN.
DIÄTGESCHICHTE. Bianca Gruber hat mehrere Diäten ausprobiert. Aber es gab immer den Jo-Jo-Effekt.
HÖCHSTGEWICHT: 104 KILO
AKTUELLES GEWICHT: 73 KILO
GRÖSSE: 169 CM
Meine Geschichte: Ich war schon als Kind Frust-und Stressesser, hab zu Süßem, Chips, Junk gegriffen. Ab 15 probierte ich diverse Diäten. Die waren aber nie nachhaltig, immer gab’s den Jo-Jo-Effekt. Irgendwann hat sich das Gewicht bei gut 80 Kilo stabilisiert. Dann kamen die Schwangerschaften. Da habe ich fast nichts zugenommen, aber in der Stillzeit dann umso mehr. Als die Zahl auf der Waage dreistellig war, hat es Klick gemacht. Ich habe die Verantwortung für drei Kinder, ich will meine Gesundheit nicht ruinieren. Ich mochte mich auch nicht mehr im Spiegel anschauen. Eine Freundin hat mich zu den Weight Watchers mitgenommen. Da wurde ich bestens betreut und nahm in einem Jahr 30 Kilo ab. Aber ein bissel was geht noch. Ernährung. Ich verzichte auf nichts, aber meine Prioritäten haben sich verändert. Zum Frühstück gibt es Brot mit Schinken und Gemüse oder Porridge, Mittags Suppe und als Hauptspeise Huhn, mageres Rindfleisch oder Fisch, dazu immer Gemüse, das als Sattmacher dient. Am Abend esse ich Vollkornbrot mit Topfenaufstrich oder Lachs. Wenn ich einen Snack brauche, ist das immer Gemüse oder Obst. Ich merke, dass ich dadurch viel mehr Energie habe. Bewegung. Ich war immer sportlich, aber nie konsequent. Jetzt gehe ich im Winter 3-4 Mal wöchentlich ins Fitnesscenter zum Kraft- und Ausdauertraining, im Sommer laufe ich draußen. Und wenn ich einmal zwei oder drei Tage nicht kann, geht es mir echt ab.