Die Landesfürsten 2.0 – ein schweres Erbe


Will man, wenn man Landeshauptfrau oder -mann wird, mit den starken Vorgängern verglichen werden? Natürlich nicht. Also gibt man lieber den “Manager”. Landesfürst(in) kann man ja immer noch werden.

Es hätte auch ein Prinz-Charles-Schicksal werden können. Starke Landesfürsten im dritten Dezennium ihrer Herrschaft. Einerseits wird ihre Abdankung erwartet, andererseits kokettieren sie ein bisschen damit, ein paar Jährchen anzuhängen. Und erst das Volk: Die jüngeren ihrer Landesbürger können sich ihr Bundesland unter anderer Führung gar nicht vorstellen.

Doch Erwin Pröll und Josef Pühringer agierten unerwartet pragmatisch. Ohne großes Tamtam gaben beide bekannt, dass sie gehen. Aber natürlich: Die politische Erbfolge wurde von beiden selbst geregelt und nicht dem freien Spiel der Parteiflügel überlassen. Johanna Mikl-Leitner (53) in Niederösterreich und Thomas Stelzer (50) in Oberösterreich stehen als Nachfolger fest. Stelzer übernimmt das Amt am 6. April, Mikl-Leitner ist am 18. April dran. Beide waren von ihren Förderern lange in deren Pläne eingeweiht. Parteiinterne Rangeleien von übergangenen Hoffnungsträgern wurden noch im Vorfeld mit starker Pranke geschlichtet.

» Ich sehe mich eher als Landesmanagerin mit Herz.«

Doch wie legt man das Amt im 21. Jahrhundert an? Pröll und Pühringer wurden in den letzten Jahren als bestimmende Machtfaktoren in der ÖVP wahrgenommen, setzen ihre Interessen gegenüber der Bundesregierung nahezu immer durch, und in den Ländern selbst, so heißt es, geht nichts ohne ihre Zustimmung.

Volley übernehmen kann man dieses Image nicht. Johanna Mikl-Leitner sagt daher: “Erwin Pröll ist aus einer ganz anderen Generation als ich. Jede Zeit hat ihre Herausforderungen, die Welt ist kleiner geworden, all die internationalen Ereignisse haben Auswirkungen auf uns. Da brauchst du internationale Erfahrung und Netzwerke. Die habe ich, und die werde ich einsetzen, um Niederösterreich ein Stück nach vorne zu bringen. Ich glaube, dass man von einer Fürstin überhaupt nicht sprechen kann. Ich sehe mich eher als Landesmanagerin mit Herz.” – “Die Zeiten, in die wir uns entwickeln, erfordern, dass du eher Landesmanager sein musst”, unterspielt auch Stelzer die Erwartungshaltung. Um gleich darauf aber anzukündigen, dass er in gewisser Weise sehr wohl in die Fußstapfen Josef Pühringers treten wird: “Wenn man für sein Bundesland etwas durchsetzen will, dann muss man da und dort auf den Tisch hauen, sich auf die Beine stellen und kämpfen. Das wird vielleicht als Poltern empfunden, aber das gehört dazu.” Wie man damit umgeht, dass man als “Kronprinz” unter Beobachtung steht? Stelzer: “Das ist ein Luxusproblem. Es gibt schlimmere Dinge, mit denen man leben muss, als dass jemand sagt, man könnte Landeshauptmann werden.” – “Landeshauptfrau zu werden, kann man sich nicht zum Ziel stecken. Du kannst nur sagen, du willst Verantwortung übernehmen in der Politik, und dann eben dorthin gehen, wo du gebraucht wirst oder dich die Partei hinstellt”, beschreibt Mikl-Leitner die Entscheidungsfindung.

»Mikl-Leitner und Stelzer sind Alphatiere, die müssen sich nicht mehr dazu entwickeln«

Politikberater Rudi Fußi sieht die beiden neuen Landeshauptleute so: “Mikl-Leitner und Stelzer sind Alphatiere, die müssen sich nicht mehr dazu entwickeln.” Die ehemalige Innenministerin müsse allerdings einen Imageschwenk bewerkstelligen und von tough und hart “jetzt auf Landesmutti umschwenken. Sie ist ja im persönlichen Kontakt sehr herzlich. Sie braucht jetzt einfach Auftritte, wo es menschelt.” Ähnliches gelte für Stelzer, der neben der Wirtschaftskompetenz nun für die Menschen greifbar werden müsse. “Das Machtbewusstsein hat er, jetzt will er sich als eigene Persönlichkeit profilieren und aus Pühringers Schatten treten.”

Strategieexperte Lothar Lockl sieht auf Mikl-Leitner und Stelzer eine doppelte Herausforderung zukommen: Einerseits müssen sie als überparteiliche Landeshauptleute wahrgenommen werden, andererseits übernehmen sie gleichzeitig die Führung ihrer Landesparteien. Dass man sich von starken Vorgängern emanzipieren kann, habe Angela Merkel bewiesen. “Keiner hat es nach Helmut Kohl und Gerhard Schröder für möglich gehalten, dass sie so prägend für die deutsche Politik wird.”

Der Imageaufbau braucht Zeit, man wird am Vorgänger gemessen. Auch Josef Pühringer wurde 1995 despektierlich als “kleiner Josef” bezeichnet, als er dem “großen Josef” Ratzenböck nachfolgte. Doch: “Es hat wenig Sinn, seinen Vorgänger zu kopieren. Man braucht einen eigenen Stil, eigene Wertvorstellungen und soll sich auf seine Stärken konzentrieren”, sagt Lockl.

Das “Luxusproblem”, als Kronprinz darauf zu warten, seinem Landeshauptmann nachfolgen zu können, hätte Michael Schickhofer gern. Der 37-Jährige ist noch eine Politikergeneration jünger als Mikl-Leitner und Stelzer und tritt in der Steiermark als unkonventioneller SPÖ-Chef in Erscheinung. “Den Landeshauptmann hat sein Vorgänger verschenkt”, erinnert Rudi Fußi an den Paukenschlag, als Franz Voves als Wahlsieger für die SPÖ auf das Amt verzichtete und dem ÖVP-Mann Hermann Schützenhöfer den Vortritt ließ. Dieses Amt wieder zu erobern, werde nicht einfach. “Schickhofer ist als Typ kein Einser. Er ist Manager ohne die benötigte Eitelkeit, signalisiert nicht, dass er Landeshauptmann sein will.”

Was heißt hier Macht?

Aus dieser ungünstigen Lage muss Schickhofer nun das Beste machen. Und er schafft es jetzt schon, über die Steiermark hinaus Aufmerksamkeit zu erregen. Für einen Landespolitiker völlig untypisch stellt er einzelne Länderkompetenzen in Frage und positioniert sich als Reformer. “Ich agiere nicht im gelernten Schema, sondern schaue, dass ich Österreich und die Steiermark weiterbringe. Ich bin mehr Macher als Fürst. Diese Zeiten sollten vorbei sein. Fürstentümer brauchen wir nicht mehr. Ich bin ja nicht in die Politik gegangen, nur um viele Auftritte zu haben”, sagt er. Er verweist auf unterschiedliche Regelungen in den Ländern im Pflegebereich und bei der Kinderbetreuung sowie beim Jugendschutz und erklärt: “Mir geht es nicht um Machtinteressen, sondern darum, dass es den Menschen besser geht. Und es hilft keinem Menschen, wenn manche Fragen in neun Gesetzen geregelt sind und nicht bundeseinheitlich.”

Schon im nächsten Frühjahr wird sich zeigen, ob Johanna Mikl-Leitner ihre Macht in Niederösterreich behält. Noch jeder Landeshauptmann musste bei seiner ersten Wahl Verluste hinnehmen, und bei ihr liegt die Latte mit einer absoluten Mehrheit besonders hoch. Fußi sagt: “Vor einem Wahlkampf unterschätzt zu werden, hat Charme.” Doch habe Mikl-Leitner durch ihre Jahre in der Bundespolitik Relevanz und sei eine starke Marke. Und: In Niederösterreich gibt es keine starken Mitbewerber. Schickhofer muss noch bis 2020 auf seine Chance, Stelzer bis 2021 auf seinen ersten Wahlkampf als Landeshauptmann warten.

Bis dahin empfiehlt Fußi weiterhin: “Gegen Wien sein, viele Feste eröffnen, Brot und Spiele.”


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