In der aktuellen Studie “Ökonomische Effekte von Asylberechtigten in Österreich” fordern Experten: Der Arbeitsmarktzugang für Asylwerber soll bewilligt werden. Das würde unter anderem helfen, Kosten zu senken. Dem gegenüber befürchten Skeptiker im Fall einer Arbeitsmarktöffnung eine stärkere Zuwanderung, steigende Arbeitslosigkeit und niedrigere Löhne. Was eine Erleichterung des Arbeitsmarktzuganges tatsächlich bedeuten würde und welche Maßnahmen sich langfristig auszahlen könnten.
“Der Effekt den ein Arbeitsmarktzugang für Asylwerber hätte, ist nicht wahnsinnig groß”, sagt Peter Huber vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Er ist Mitautor der Wifo-Studie “Auswirkungen einer Erleichterung des Arbeitsmarktzuganges für Asylsuchende in Österreich” (2015). Darin geht Huber von einer kurzfristigen Erhöhung der Arbeitslosenquote um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte aus.
Qualität vor Quantität
Natürlich hängt diese Zahl laut Experte auch stark von der Anzahl der Flüchtlinge ab. In den meisten Studien werden der Öffnung des Arbeitsmarktes für Flüchtlinge allerdings positive Auswirkungen bescheinigt. “Politisch gesehen wollte man damals keine höhere Arbeitslosigkeit riskieren”, sagt Huber. Der erweiterte Zugang sei eine Möglichkeit, um die Integration von Asylwerbern zu unterstützen. Viel wichtiger ist für ihn jedoch, die Menschen zuerst einmal soweit zu bringen, dass sie am Arbeitsmarkt Fuß fassen können: Langfristig lohnt sich daher eine Investition in Sprachausbildung und Qualifikationen. Denn nur wer die dem Arbeitsmarkt entsprechenden Fähigkeiten hat, wird später Arbeit finden.
»Die irakischen Akademiker, die in Österreich 30 Jahre Taxi gefahren sind, waren unglücklich in ihren Jobs«
In dieselbe Kerbe schlägt Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger von der Universität Wien. Eine rasche Öffnung des Arbeitsmarktes, kann zwar die Nettobeiträge steigern. Schmidinger hält es aber für volkswirtschaftlich klüger, qualifizierte Flüchtlinge mit einer Berufsausbildung in Österreich nachzuschulen und ihnen zu einem späteren Zeitpunkt einen Berufseinstieg in jener Branche zu ermöglichen, für die sie schon Qualifizierungen mitbringen. Es bringe hingegen nichts, sie so schnell wie möglich in einen unterqualifizierten Job zu drängen, an dem sie den Rest ihres Lebens festhalten. “Die irakischen Akademiker, die in Österreich 30 Jahre Taxi gefahren sind, waren unglücklich in ihren Jobs und verschwendeten letztlich ihre Qualifikationen”, teilt der Politologe mit.
Investitionen in die Zukunft
Wer Geld ernten will, muss vorher investieren. “Es ist klar, dass für Flüchtlinge zunächst Geld ausgegeben werden muss und das auch mehr Geld ist, wenn es mehr Flüchtlinge sind. Dieses Geld für Asylwerber kommt aber wieder der lokalen Wirtschaft zu Gute”, sagt Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger von der Universität Wien. Viele der Grundversorgungsquartiere für AsylwerberInnen würden sich noch dazu in strukturschwachen Regionen befinden, die dringend dieses Geld brauchen.
Im Hinblick auf Asylberechtigte könne man einen Teil dieses Geldes, insbesondere Ausbildungskosten, “als Investitionen in die Zukunft sehen, die sich später rechnen werden.” Im Fall von Transferleistungen an Flüchtlinge kommt es laut Politologe deshalb sehr stark darauf an, ob diese nur der Elendsverwaltung dienen oder beispielsweise der Qualifizierung von Flüchtlingen.
Fehlende Daten
Um eine langfristige Strategie oder Studien über Maßnahmen für eine bessere Integration aufstellen zu können, braucht es vor allem eines: Daten über Flüchtlinge. Und genau daran mangelt, wie Peter Huber berichtet. In der Wifo-Studie weist der Experte unter anderem auf die fehlende Datenlage zur Verfahrensdauer hin. Bekannt ist lediglich die durchschnittliche Dauer des Erstverfahrens, jedoch nicht, wie viele Revisionen folgen oder wie lange der Asylwerber danach noch im System hängen bleibt. Ebenfalls ein blinder Fleck bleibt, was der Asylwerber an Weiterbildungen, Sprachkursen oder Qualifikationen erwirbt, während das Asylverfahren läuft. Und gerade diese Informationen sind für eine spätere Integration am Arbeitsmarkt essentiell.
Die junge Generation
Viele Flüchtlinge, die nach Europa beziehungsweise Österreich kommen, sind jung und im erwerbsfähigen Alter. Laut der Studie “Ökonomische Effekte von Asylberechtigten in Österreich” von Caritas und Rotem Kreuz liegt das Durchschnittsalter der Asylberechtigten bei 29,0 Jahren.
Vor allem jugendliche und junge Flüchtlinge haben die Chance, sich gut zu integrieren. Zentral ist, dass sie eine entsprechende (Schul-)Bildung erhalten. “Ich kenne Unternehmer, die für ihre Branchen keine Lehrlinge finden, die Lesen, Schreiben und Rechnen können und das durchaus in Berufsfeldern, die ordentlich bezahlt werden”, sagt Schmidinger. Es müsse hier besonders darum gehen, Jugendlichen und jungen Erwachsenen Zugang zu Ausbildungsplätzen zu ermöglichen und sie dafür fit zu machen.
Wifo-Experte Huber gibt zu bedenken: Österreicher leben im Durchschnitt bis zum 20. Lebensjahr vom Sozialstaat, dann werden sie zu Nettobeitragszahlern, ab rund 60 Jahren wieder zu Nettobeitragsempfängern. Die Zeitspanne, in der eingezahlt wird, ist also die ausschlaggebende. Junge Flüchtlinge haben zumindest den Vorteil, dass sich der Staat den Teil der Bildungskosten erspart, der für in Österreich aufgewachsene Kinder ausgegeben wird.
Flüchtlingen wird durchschnittlich – je nach Herkunftsland – eher ein niedrigeres bis mittleres Ausbildungsniveau bescheinigt. Als ein Hindernis auf dem Weg zur Integration sehen die Experten die Anerkennung von Qualifikationen an. “Gerade bei den Flüchtlingen aus Syrien sind viele Akademiker und Personen mit abgeschlossenen Berufsausbildungen dabei, die hier kaum anerkannt werden”, sagt Schmidinger. Seit Jahren werde hier von einer Erleichterung für Nostrifizierungen gesprochen. Trotzdem sei es immer noch schwierig sich einen syrischen oder irakischen Uniabschluss anerkennen zu lassen oder gar ein kriegsbedingt abgebrochenes Studium in Österreich fortzusetzen.
Kommt Zeit, kommt die Abrechnung
Was müsste also passieren damit die Kosten für Flüchtlinge künftig nicht die Steuern, die von Asylberechtigten eingezahlt werden, übersteigen? “Man wird das nie gegenrechnen können”, erklärt der Politikwissenschaftler. “Was soll man denn alles einbeziehen in die Steuern, die von Asylberechtigten eingezahlt werden? Die Steuern, die sie ihr Leben lang zahlen? Auch die Steuern derer Kinder?”
Wichtig sei, dass die Leute ehrliche Chancen am Arbeitsmarkt bekommen und für diesen entsprechend fit gemacht werden. Je mehr Qualifikationen des Herkunftslandes dabei einbezogen werden, desto besser. Zusätzlich sei ein Klima am Arbeitsplatz nötig, das möglichst auf rassistische Diskriminierungen verzichtet und Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion Aufstiegsmöglichkeiten bietet. “Nur wer sieht, dass er eine Chance hat, wird bereit sein in diese etwas zu investieren”, teilt der Politologe mit.
Das Fazit von Wifo-Experte Huber lautet: Beschäftigung bringt sicher etwas, wobei insbesondere ein Ausbildungszugang für Jugendliche nach der Pflichtschule essentiell ist. Die wirkliche Abrechnung findet dann in 20 Jahren statt. Denn bei allen Sozial- und Transferstudien ist es wesentlich, die Entwicklung über die Lebenszeit zu betrachten.