Europa atmet auf: Der Rechtspopulist Geert Wilders hat die Wahlen in den Niederlanden nicht für sich entscheiden können. Auch wenn Wilders das Ergebnis als Erfolg feiert, das prognostizierte Kopf-an-Kopf-Rennen war es nicht. Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments bezeichnet den Dämpfer für Wilders als “ermutigendes Zeichen für Europa”. Macht sich etwa eine Trendwende bemerkbar?
Er sei “super-stolz auf alle unsere Wähler, mehr als 1 Million Holländer! Danke!”, twitterte der 53-jährige Wilders nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses für seine “Partei für die Freiheit” (PVV). 12 Jahre nach der Gründung der PVV sei seine Partei die zweitstärkste. Pflichtgetreu gratulierten mehrere rechte Parteien Europas wie die Front National.
Das ist ein Weg das Ergebnis zu interpretieren. Man kann es aber auch so sehen: Der Rechtspopulist hat zwar nach der Auszählung von rund 95 Prozent der Stimmen 5 Sitze im Parlament hinzugewonnen, doch eigentlich einen ordentlichen Dämpfer eingefahren. Schon kurz vor der Wahl hat der Rechtspopulist in den Umfragen verloren, von einem knappen Rennen zwischen der rechtsliberalen VVD von Regierungschef Mark Rutte und Wilders Partei war man am Ende weit entfernt – und das bei einer hohen Wahlbeteiligung.
Die deutschen Rechtspopulisten der Partei AfD (Alternative für Deutschland) zeigten sich sogar offiziell enttäuscht: “Ich mache keinen Hehl daraus, dass wir der PVV und Geert Wilders ein besseres Ergebnis gewünscht hätten. Die Bürger wollen eine klare Ansage, aber sie fürchten sich vor einem harten Ton”, sagte Parteichefin Frauke Petry.
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Euphorische Gefühle
Auf der anderen Seite löst der Dämpfer für Wilders wiederum euphorische Gefühle aus. Der Sieg Ruttes wird von etlichen europäischen Spitzenpolitikern als Sieg gegen die Rechtspopulisten gefeiert. Sie sehen in dem Wahlausgang sehr wohl eine vorsichtige Wende: “Ein Votum für Europa, ein Votum gegen Extremisten”, teilte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mit. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel würdigte das Ergebnis als sehr pro-europäisch und sprach von einem “guten Tag für die Demokratie”.
Geert Wilders
In Österreich herrscht ebenfalls Erleichterung: Bundespräsident Alexander Van der Bellen erklärte zum Sieg von Rutte gegenüber der APA, dass der “unheilvolle Nationalismus von den Wählern in die Schranken gewiesen” wurde.
“Der großartige Dämpfer für die Rechtspopulisten in den Niederlanden zeigt nach den Bundespräsidentenwahlen in Österreich zum zweiten Mal in kurzer Folge, dass sich die große Mehrheit der Bürger das gemeinsame Europa von Hetzern à la Wilders nicht zerstören lassen”, teilt Ulrike Lunacek in einer Aussendung mit.
Auch die Medienberichterstattung spiegelt diese Euphorie wieder. “Spiegel Online” schreibt: “Schon die Wahl in Österreich hat gezeigt: es gibt keinen europäischen Dominoeffekt.” Und die französische Zeitung “Le Figaro” geht von einer großen “Erleichterung für die traditionellen Parteien in Europa, insbesondere in Frankreich” aus.
Anders sehen den Wahlausgang naturgemäß die rechtspopulistischen Parteien Europas wie die französischen Partei Front National, die Wilders gratulierten und das Ergebnis als Erfolg feierten – ausgenommen die enttäuschte AfD. Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache betitelte seinen niederländischen Kollegen als einen “der großen Gewinner des gestrigen Urnengangs”. Und er verweist darauf, dass Wilders Partei ihre Mandate von 15 auf 20 erhöhen konnte und damit von der drittstärksten zur zweitstärksten Kraft in den Niederlanden aufgestiegen ist.
Ein interessantes Detail am Rande ist: Der Journalist und Autor Johannes Huber hat im Zuge der Wahlen in den Niederlanden analysiert, dass Rechtspopulisten aus westeuropäischen Ländern wie Frankreich, Deutschland oder der Schweiz nicht an die Werte von Strache und Hofer herankommen.
Kommt die Trendwende?
Kann die Aufbruchsstimmung halten was sie verspricht? Politik-Experten wie Paul Dekker von der Universität Tilburg warnen davor, die rechten Parteien zukünftig auf die leichte Schulter zu nehmen. Immerhin hat Wilders Partei es geschafft, zweitstärkste Kraft zu werden und das darf nicht unberücksichtigt bleiben.
In eine ähnliche Richtung wie Dekker geht der Politikwissenschaftler Claus Leggewie, Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts (KWI) in Essen. Er warnt gegenüber der Nachrichtenagentur AFP vor einer Verharmlosung der rechten Parteien in Europa. Für ihn geht die Bezeichnung “Rechtspopulisten” nicht weit genug, vielmehr spricht er von autoritären, antidemokratische Positionen. Diese rechten Bewegungen seien aber nicht neu und habe es bereits in den 1970ern gegeben. Was die rechten Parteien heute seiner Ansicht nach gefährlicher macht, sind die instabileren Parteiensysteme und die Abnahme der Wählerbindung an bestimmte Parteien. Dennoch sieht er keine akute Bedrohung für die Demokratie in Europa durch die Rechtspopulisten. “Die autoritäre Welle hat wohl ihren Höhepunkt erreicht”, sagte er gegenüber AFP.
Das liegt teils daran, dass andere Parteien mittlerweile erkannt haben, dass sie große Anliegen des Volkes wie die Flüchtlingskrise nicht unbeantwortet und das Feld den Rechtspopulisten überlassen dürfen. Letztere können nun nicht mehr den alleinigen Anspruch darauf erheben, nur sie würden dem Volk aus der Seele sprechen. Das schaffen mittlerweile auch andere Politiker.
Ingrid Korosec, Präsidentin des Österreichischen Seniorenbundes, ortet beispielsweise im Sieg von Rutte über Wilders eine “eindeutige Bestätigung des Kurses” von Außenminister Sebastian Kurz, wie sie in einer Aussendung mitteilt. “Kurz hat mit seiner Europapolitik den Weg für zahlreiche EU-Länder vorgegeben, ich erwähne nur die Schließung der Balkanroute im Zuge der Flüchtlingskrise”, sagt Korosec. Entscheidend sei es, einen Weg zu finden, um den Bürgern die Ängste zu nehmen und sie vor Extrem-Ausreißern, die zu nichts führen, zu schützen.
Die Wahl in den Niederlanden hat gezeigt, dass reiner Populismus in diesen Zeiten nicht zwangsläufig zum Sieg führt. Das Wahlprogramm von Wilders soll gerade einmal eine DIN-A4-Seite umfasst haben. Das dürfte den Wählern trotz volksnaher Rhetorik als Lösung für aktuelle politische Probleme dann doch zu wenig gewesen sein.