Weltfrauentag. 107 Jahre Emanzipation. Und, äh, sieben Jahre “Bachelor”. Jetzt könnten wir im verschwitzen Locker-Room-Talk des US-Präsidenten etwas über die Frauenbewegung im Doggy Style kalauern – aber: Warum?
2017 ist beim “Bachelor” nämlich alles anders. 2017 hat das RTL einen Mann für die Rolle des Rosenkavaliers gecastet, der ganz genau weiß…
…was Frauen an diesem ihren besonderen Tag wollen. Nämlich DAS hier:
JAAAAAAAAAA – kein herablassendes Mansplaining! Sondern einfach nur ein Mann, der sagt, was er macht. Sitzen nämlich.
Nur leider macht der auch sonst nicht viel – und das wieder müssen wir jetzt erlebte einenhalb und gefühlte sechseinhalb Stunden lang aussitzen.
Langsam dämmert uns, warum das RTL die diesjährige “Bachelor”-Staffel in acht Doppelfolgen schnelldurchläuft.
Während sich nämlich drüben auf dem anderen Kanal “Barcelona” und “Paris St. Germain” die Bälle derart ratzfatz um die Ohren kloppen, dass sich sogar das neue Intellektuellen-Brillengestell von Sport-Kommentator Roman Mählich vor Aufregung beschlägt, dribbeln vier fade Figuren ohne Ecken und Kanten durch die Ballerman-Meile von New Orleans und bejubeln unter Einfluss vernunftvernebelnden Alkohols jedes noch so banale Vorkommnis so promilleüberschwappend betonenswert, als hätten sie eine talentierte Robbe Purzelbäume schlagen sehen:
Viola angesichts eines Breakdancers: “Lauter verrückte Leute hier!”
Inci nach einem Selfie vor einem Totenkopf: “Wir haben uns bepisst vor Lachen!”
Alle, nachdem sie von Balkonen mit Ketten beworfen werden: “Yeah, Ketten, hu-hu, Ketten, yeah!”
Krass crazy das alles
Das mit den Ketten macht sogar aus dem Basti zwischenzeitlich eine kreuzfidele Frohnatur: “Wenn man in New Orleans eine Kette zugeworfen bekommt, dann muss die Frau ihre Brüste zeigen. Es gibt aber einen noch viel schöneren Brauch…”
Wir rappeln uns kurz aus unserem Halb-Delirium im Ohrensessel höher: Wird der “Bachelor” seine Hose fallen lassen? Knöpft er sein Hemdchen zwei Knöpfe weiter auf? Eine klitzekleine Duschszene, zum Frauentag vielleicht?
Natürlich nicht. Stattdessen schupfen sie unter viel “Hihi” und “Huhu” Ketten auf Stromleitungen. Das hat irgendwas mit WünschenundLebenundErfüllung zu tun, genau können wir euch das jetzt auch nicht erzählen, wir sind nämlich schon wieder vor Fadheit vornüber ins Abendessen gekippt.
“Du hast schöne Augen, deshalb schau ich da auch so gerne rein”
Jetzt äußert offenbar der quotennervöse Produktionsleiter endlich bangend einen Wunsch: Knutschen, aber dalli!
Weshalb der Basti die Viola auf den Balkon bittet, während im Zimmer nebenan die Rest-Frauen schweigend mit ihren Naddel-Nagern die Weintrauben von den Käsehäppchen knabbern.
Viola: “Du hast schöne Augen.”
Bachelor: “Danke, du auch.”
Viola: “Deshalb schau’ ich da auch so gerne rein.”
Bachelor (haucht Küsschen auf Violas Wangen): “Machst du das immer so, Wange links, Wange rechts?”
Viola: “Ja.”
Bachelor: “Aber Mund hast du ja nur einen. Muss ich den jetzt zweimal küssen?”
Wir kommen immer mehr drauf, dass es schon gute Gründe hat, warum sonst keine Kameras dabei sind, wenn sich zwei Menschen näherkommen.
Basti schwurbelt was von “genossenem Kuss” und “warmen Gefühlen” – schaut dabei aber in etwa so happy, als würde er gerade rostige Nägel pinkeln. Ehrlich: Das ist alles so schrecklich unangenehm, hätte jemand in diesem Moment ein Selfie von uns gemacht: Es wäre ein gefrostetes Knittergesicht wie nach Runterwürgens eines halben Liter puren Zitronensafts. Brrrr.
Warten auf Godot, äh, Bastian.
Ähnlich säuerlich schauen auch die anderen, als der “Bachelor” und Viola nach vollzogenem Speicheltausch wieder zur Gruppe stoßen. Clea-Lacy (das ist die, mit der Basti in Folge 6 zungenpropellert hat) beklagt jetzt den Umstand, dass sie noch eine Konkurrentin hat. “Er küsst mich, er küsst Viola, vielleicht küsst er eine andere. Bei mir ist jetzt der Moment gekommen, bei dem ich denke, soll ich jetzt gehen?”
Newsflash für Clea-Lacy: Das ist das S-e-n-d-u-n-g-s-k-o-n-z-e-p-t, die ärmliche dramaturgische Idee! Ein Lamento über die Kusstestreihe des “Bachelors” ist ebenso sinnig wie einzufordern, dass bei einem Champions-League-Spiel einfach jeder Spieler automatisch jeder einen Elfer bekommt, damit mehr Tore … Apropos …
Nein, schon gut. Wir lassen den Finger eh brav von der Fernbedienung und Clea-Lacy geht auch in die Verlängerung, weil Ex-Fußballer Basti jetzt nämlich schnell einen alte Trainer-Weisheit aus seinem U9-Spind zaubert: “Wer kämpft, der kann verlieren. Wer nicht kämpft, der hat schon verloren.” Ein paar Sendeminuten und eine Schnittblume mehr, dafür kann frau schon drüber hinwegsehen, dass der Typ erst mal bei allen Frauen ordentlich einlochen muss, “um seine Gefühle zu überprüfen.”
Stattdessen scheidet Inci aus.“Wir sind Freunde, Inci, echte Bros!” , probiert der Bachelor zittrigstimmig den Ghetto-Slam in der Südstaaten-Villa und Inci bedankt sich artig für diese Abfuhr: “Er ist ein wundervoller Mensch.” Klar. Isser. Und ich weiß, wo sein Auto steht.
Haltet die Maschinen an: Der “Bachelor” trägt…
Für die zweite Halbzeit wird dann ein Highlight vorheriger Staffeln angekündigt: Die “Homedates” stehen an, der Besuch bei den Eltern. Erinnert ihr euch an Jan Kralitschka (2013), der mit dem Papa von Porno-Maus Melanie durch den Schweinestall stapfte? Christian Tews (2014), der den 87. Geburtstag von Katjas Opa mitfeiern musste? Oliver Sanne (2015), der beim Homedate mit Liz nix anbrennen ließ – bis auf die Nudeln? Leonard Freier (2016), der Leonie-Rosella im Jugendzimmer pimperte? Glorreiche Momente der Trash-TV-Historie!
Und diesmal? NIX! Das große NIX! In einer ordentlichen Sendung würde sich der “Bachelor” in eine von Clea-Lacys Klon-Schwestern verlieben und den Dreh sofort abbrechen, aber stattdessen? Stellt er sich brav dem Verhör der “Stepford”-Frauen: “Bisch du mit mehr Mädels intim geworden?” , “Was hat disch so überzeugt an der Clea?” Pffff. Nicht mehr nur “Bachelor”-Ultras suchen jetzt im Keller zwangsläufig nach Amarula-Restbeständen.
Am Ende darf sich der Bastian dann aber doch noch an die Clea ranschmieren und seine Zunge in ihr versenken, aber wir können uns nicht mehr konzentrieren, denn…:
DER BACHELOR TRÄGT SÖCKLINGE! S-Ö-C-K-L-I-N-G-E.
Weiße Söcklinge. Wir sind paralysiert. Kein Wunder, warum in dieser Staffel so wenig lief. Und es läuft nicht besser weiter:
Bei Erika gibt es viel zu essen und die Info, dass Erika noch nie einen Mann ihren Eltern vorgestellt hat, damit wollte sie warten, bis es was Ernstes ist – also exakt bis zu dem Moment, in dem der “Bachelor” um die Ecke biegt. Im Angesicht des drohenden Rauswurfs presst sie dem “Bachelor” im Türrahmen unvermittelt ihre Lippen auf die Lippen. Wir heben die Flasche.
Kattia aus Kassel möchte Sebastian zeigen, dass auch ein deutsch-kolumbianisches Paar harmonieren kann, wundersamer Weise. Während die Frauen das Essen zubereiten, erfährt Sebastian von Kattias deutschem Freund, wie der Umgang mit einer Latina ist: “Kolumbianische Frauen haben ein Temperament in alle Richtungen, die geben Gas.”
Ein wenig wirkt die Fachsimpelei so, als wären Kolumbianerinnen eine etwas eigenwillige Züchtung, aber es ist schließlich Weltfrauentag und wir nach den mittlerweile 50minütigen RTL-Emanzipationsfestspielen sowieso schon Amarula-sediert.
Nicht mal bei Favoritin Viola will es in der Kiste ordentlich rappeln. “Für einen Kuss hätte ER die Initiative ergreifen sollen.” Liebe Viola, nochmals langsam zum mitschreiben: Die Frau muss sich Mann an den Hals werfen, das ist das Gerüst an dem das ganze schäbige Schauspiel festgezurrt ist.
Am Ende fliegt wie immer die Einzige, die den “Bachelor” nicht ihre Mandeln untersuchen ließ: Kattia.
Drüben im ORF schießt sich “Barcelona” währenddessen phänomenal ins Viertel-Finale der Champions League. Die Fußball-Legenden Herbert Prohaska, Roman Mählich und ORF-Moderator Bernhard Stöhr strippen deshalb bis auf ihre Boxershorts. Und zum wiederholten Male an diesem Abend fragen wir uns, ob das nicht die bessere Unterhaltung … aber wir hören eh schon auf zu mäkeln.
FRAGEN, DIE BLEIBEN:
IST DEUTSCHLAND DAS NEUE JAPAN? Oder welchen Grund hat es, dass drei Mitte-20-Jährige immer noch in tristen Jugendzimmer bei ihren Eltern hausen?
GIBT ES NOCH TEELICHT-BESTÄNDE BEI IKEA? Warum brennen trotz hellen Tageslichts und gleißender Scheinwerfer-Bestrahlung in den wie von Tine Wittler eilends mit bunten Tisch-Sets dekorierten Häusern der “Bachelor”-Familien auf jeder Kommode und jedem Couch-Tisch hunderte Teelichter? Egal. Stimmung entsteht trotzdem nicht.
FÜR WIE DOOF HÄLT DAS RTL SEINE ZUSEHER… …wenn man mittlerweile ein “Emoji” als Antwort bei einem SMS-Gewinnspiel akzeptiert? Und was geschieht, wenn man statt der “Rose” einfach eine “Melanzani” morst?
WARUM FLÜSTERT DER BACHELOR? Aus welchem Grund beginnt der “Bachelor” leise zu whipsern, während er Inci und Kattia den Weisel erteilt? Sein “Du bist toll, aber nicht toll genug für mich”-Gestammel wird von den Richt-Mikrophonen des Tonmannes übrigens trotzdem tadellos übertragen.