Etwa die Hälfte aller Menschen in Europa leidet an irgendeiner Form von Allergie. Zu diesem Ergebnis kam die Europäische Stiftung für Allergieforschung (ECARF) im Jahr 2015. Doch woran liegt das? “Die starke Zunahme der Allergien verlief parallel zur Verstädterung der Gesellschaft”, sagt Kinderärztin Dr. Margarita Wolfsberger von der Kinderarztpraxis Schumanngasse in Wien. “Wir leben in einer keimreduzierten Welt. Zuhause wird alles desinfiziert und mit antibakteriellen Seifen gewaschen. Es gibt sogar schon Desinfektionstücher für Schnuller. Dadurch haben Allergien und andere immunologische Erkrankungen zugenommen.”.
Warum haben Bauernhofkinder seltener Allergien oder Asthma?
Natürlich entstehen Allergien auch genetisch bedingt, aber Forscher konnten einen eindeutigen Zusammenhang zwischen verbesserter Hygiene und steigenden allergischen Erkrankungen (nicht Infektionskrankheiten) nachweisen. Schon in den 80er-Jahren gab es die sogenannten Bauernhofstudien, die belegen, dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen nur halb so oft Heuschnupfen oder Asthma entwickeln. Der Grund dafür sind die zahlreichen Keime, mit denen Bauernhofkinder in Kontakt kommen. Das sind Bakterien, Pilze, Parasiten und womöglich auch Viren. So konnten die Wissenschaftler feststellen, dass Vier- bis Achtjährige, die auf einem Bauernhof leben, ein besonders starkes Immunsystem haben. “Bei diesen Kindern setzt sich das Immunsystem früh mit harmlosen Umweltkeimen auseinander und ist in Zukunft fähig zum Beispiel Pollen, Tierhaare oder Lebensmittel als nicht bedrohlich zu erkennen. So wird einer Allergie vorgebeugt.”, erklärt Dr. Wolfsberger.
Möglichst früher Kontakt mit Umweltkeimen
Damit das Kind vor Allergien geschützt ist, sollte die Immunisierung sehr früh beginnen. Mit einem 3-jährigen Urlaub auf dem Bauernhof zu machen, um das Immunsystem des Kindes zu stärken, nutzt nichts mehr. Laut der Kinderärztin ist in diesem Alter die Funktionsweise des Immunsystems weitestgehend ausgereift. “Entscheidend sind die ersten 6 Monate. Noch besser ist es aber, wenn bereits Schwangere regelmäßig in den Stall gehen, um mit den Umweltkeimen in Kontakt zu kommen.” Um einen guten Schutz aufzubauen, wird ein täglicher Stallaufenthalt von 20 Minuten empfohlen. Dies ist für Menschen im urbanen Raum natürlich nicht machbar. Doch auch Stadtfamilien können das Immunsystem ihrer Kinder pushen, indem sie keine allzu große Hygiene walten lassen und ihre Kinder auch mal “Dreck essen” lassen. Es geht dabei natürlich nicht darum, große Mengen an Dreck zu verspeisen, sondern um das bloße In-den-Mund-Nehmen. Dr. Wolfsberger gibt Eltern den Tipp: “Wenn Kinder am Boden krabbeln und alles in den Mund stecken, so lässt man sie am besten. Die Keime sind meist völlig harmlos und bergen keine Gefahr für die Kinder.”
Und wenn der Schnuller mal auf den Boden fällt, dann reicht es auch, wenn man ihn kurz abwischt und dem Kind wieder in den Mund steckt. Was man allerdings nicht machen sollte: “Viele Mütter schlecken den Schnuller zuerst selbst ab und und können damit ihre eigenen Kariesbakterien auf das Kind übertragen.”
Hier noch Tipps von Dr. Margarita Wolfsberger, um das Immunsystem von Kinder zu stärken:
1. Kinder auf dem Boden krabbeln lassen , vor allem draußen auf der Wiese und dem Erdboden
2. Kontakt mit anderen Kindern fördern , denn der Keimaustausch stärkt das Immunsystem.
3. Dinge in den Mund nehmen lassen, denn dieser natürliche Instinkt ist richtig und gesund!
4. So oft und früh wie möglich mit dem Kind in die Natur gehen, Kontakt mit Tieren und Pflanzen suchen und es ruhig auch mal Dreck essen lassen.
5. Zuhause keine allzu große Hygiene walten lassen, Desinfektionsmittel hat in einem Haushalt von gesunden Menschen nichts verloren!