Das „neue Instagram” kommt zum perfekten Zeitpunkt in unsere mittlerweile frustrierte Social Media-Welt. User und Userinnen sind zunehmend verärgert über Algorithmen im Allgemeinen, vor allem auf Instagram, da Postings nicht mehr allen Abonennten, sondern einem lächerlichen Bruchteil von ihnen ausgespielt werden. Facebook wird immer gruseliger und das neueste Layout von Snapchat verschreckt alle von der Plattform. Trotz des idealen Zeitpunkts, um an die Spitze des App-Stores zu kommen, wird Vero scheitern.
Erinnert ihr euch an Ello? Was ist mit Mastadon? Peach? Vermutlich nicht, denn diese Apps haben es nicht einmal bis zu uns geschafft. Warum? Weil sie einen kurzlebigen Hype erlebten, als alle frustriert wegen Facebook und Instagram waren, aber irgendwie nicht frustriert genug, um wirklich alle Accounts zu löschen und auf einer neuen Plattform von vorne zu beginnen.
Was ist Vero?
Vero funktioniert ähnlich wie ein Mix aus Instagram und Facebook. Man kann Fotos und Videos teilen, aber auch Musik, Filme, Bücher und Links. Klingt doch schon ganz gut. Es wird aber besser. Vero steht für „Wahrheit“, denn die Macher der App halten nichts von Algorithmen und Werbung. Nutzern werden Postings in chronologischer Reihenfolge angezeigt. Jackpot!
Kein Wunder scheinen gerade alle Influencer und Blogger freiwillig dafür Werbung zu machen. Sie wollen ihre Follower dahin locken, damit ihre Postings allen angezeigt werden und nicht mehr nur einem kleinen Bruchteil von ihnen.
Doch der Hype um die App wird nicht abheben. Abgesehen von den vielen Bugs, den Abstürzen und dem unleserlichen und nicht gerade nutzerfreundlichem Design, verbirgt sich hinter Vero einiges, das Nutzer vorher nicht bedacht hatten.
Allein bei der Anmeldung verlangt Vero nicht nur eine E-Mail-Adresse, sondern gleich mal eine Telefonnummer, um den eigenen Account zu verifizieren. Ein Username reicht bei dieser App auch nicht mehr aus. Nein, Vero möchte den vollen Namen. Ok, cool! Not!
Kaum hatte ich den Aktivierungscode und war in der App, stürzte sie auch schon wieder ab und ich hatte noch nicht einmal ein Foto gepostet. Das lag vor allem daran, dass gerade jeder Influencer und alle, die es gerne wären, versucht sich dort anzumelden und einen Nutzernamen, im Falle, dass die App doch noch cool werden sollte, zu sichern. Dass die App nur für die erste Million gratis ist und danach ein Betrag fällig werden wird, hat damit sicher nichts zu tun. Ganz bestimmt nicht.
Vero kostet!
Ja genau. Die Entwickler von Vero bieten die App kostenlos an, aber nur für die erste Million, danach heißt „catchiiing“! Wer keinen Algorithmus und keine Werbung will, der muss eben zahlen. Wie sonst sollen die 23 Mitarbeiter, von denen nur zwei(!!) weiblich sind, überleben?
Entweder ist das nur ein Marketing-Gag des Unternehmens und die App wird auch nach den ersten Million kostenlos sein, oder sie meinen es todernst. Da wir mit der Philosophie aufgewachsen sind, dass alles im Internet gratis ist, werden wir sicher nicht Geld für etwas zahlen wollen, dass wir auch auf Facebook und Instagram gratis bekommen. Für Influencer bedeutet das: Sobald die erste Million kostenloser Accounts aufgebraucht ist, wird ihre Followerzahl stagnieren und sie werden höchstwahrscheinlich doch wieder zu Instagram zurückkehren.
Shady Vero!
Abgesehen von der Tatsache, dass Diversität nicht gerade Priorität im Unternehmen hat, scheint auch der Datenschutz nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit zu erhalten. Liest man sich die AGB von Vero genauer durch, wird einem klar, dass die Bildrechte dem Unternehmen gehören und sie darüber verfügen dürfen, wie sie wollen. Das heißt: Wir bezahlen (irgendwann), damit Vero unsere Fotos, Stimmen, Videos usw. nach Belieben verwenden kann. Der Datenschutz ist bei Facebook und Co. aber nicht gerade anders.
Entscheidet ihr euch irgendwann dazu, euren Account zu löschen, geht es leider nicht. Ihr müsst erst eine „Löschanfrage“ stellen und hoffen, dass sie jemals beantwortet wird.
Vero, was?
Also warum überleben neue Soziale Netzwerke nach dem anfänglichen Hype nicht? Ganz einfach. Soziale Netwerke zu wechseln, ist wie ein neues Handy – vor der Erfindung von iCloud – zu kaufen und alle Kontakte von Hand eintragen zu müssen. Keiner will das tun. Der Sinn hinter sozialen Netzwerken ist es, sozial zu sein und sich mit Freunden, Verwandten, Bekannten und anderen Personen, die man nur online kennt, auszutauschen. Man möchte diese Verbindungen nicht verlieren, indem man unüberlegt zu einer anderen App wechselt. Auch wenn Influencer gerade versuchen all ihre Follower dahin zu locken, um vom Algorithmus keine Reichweiten-Cuts mehr einstecken zu müssen, haben sie keine Lust ihre hunderttausend Follower gegen zwei lächerliche Bekanntschaften auf Vero zu tauschen.
Eine neue App zu hegen und zu pflegen, bedeutet eine andere zu vernachlässigen und egal, wie sehr wir uns alle über den derzeitigen Zustand auf Instagram aufregen, wir werden die App trotzdem nicht verlassen.